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Die de Rougemonts

Die Riviera am Thunersee

Zu Zeiten des Ancien Régime lag Thun im Netz der schweizerischen Reise- und Handelsrouten am Rande. Noch um 1800 galt die Stadt allenfalls als Etappenort denn als eigentliches Reiseziel. Mit dem Aufkommen des Tourismus im Berner Oberland wandelte sie sich jedoch zum Ort der Sommerfrische der vornehmen Gesellschaft. Prominente ausländische Gäste wie der Dichter Heinrich von Kleist, der sich 1802 für eine Phase intensiven Schaffens auf der oberen Aareinsel einquartierte, zogen weitere Aufenthalter an. Die Stadt reagierte darauf mit dem Bau von Quaianlagen und geschäftstüchtige Hoteliers sorgten mit Nobelherbergen wie den Hotels Bellevue (1834) und du Parc (1840-42) für adäquate Unterkünfte. Gleichzeitig förderten neue Verkehrsmittel - Dampfschiff (ab 1835) und Eisenbahn (ab 1859) - die touristische Entwicklung. Parallel dazu etablierte sich Thun im 19. Jahrhundert als eidgenössischer Waffenplatz. An der 1819 eröffneten Militärschule wurden Offiziere der Artillerie, der Genietruppen und des Generalstabs ausgebildet; hinzu kamen regelmässige Übungslager unter Aufbietung der kantonalen Truppenkontingente. Viele der an der Militärschule engagierten Offiziere liessen sich – wie Alfred de Rougemont – in der Region Thun nieder.

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Die de Rougemonts

Der Pariser Bankierszweig der Familie de Rougemont 
Der damals 35-jährige Alfred de Rougemont entstammte einem einflussreichen Adelsgeschlecht, dessen Wurzeln im waadtländischen Dorf Provence und in St-Aubin (NE) liegen, wo erste Erwähnungen bereits 1345 beziehungsweise 1412 belegt sind. Von dort aus erfolgte über Generationen hinweg ein sukzessiver Aufstieg in die führenden neuenburgisch-preussischen Gutsbesitzer- und Magistratenkreise. Massgeblichen Anteil daran hatte die von Alfreds Grossvater Jean-Jacques (1705-1762) begründete Linie, nachdem jener 1737 in Paris die Bank seines Schwagers übernommen hatte. Sein Sohn Denis (1759-1839), in zweiter Ehe verbunden mit der Tochter des preussischen Finanzvertreters am Pariser Hof, führte das Unternehmen ab 1781 überaus erfolgreich weiter. 1784 vom preussischen König Friedrich II. in den Adelsstand erhoben und als königlicher Finanzagent eingesetzt, machte er es zu einem der mächtigsten Bankinstitute in Paris. Mit dem erwirtschafteten Vermögen erwarb er 1816 vom preussischen König Friedrich Wilhelm III. das prachtvolle Hôtel Du Peyrou als pied-à-terre in Neuenburg, nachdem er schon 1794 das Schloss Löwenberg bei Murten als Familiensitz während der unruhigen Jahre nach der Französischen Revolution gekauft hatte. Mit dem Kauf des bei Thun gelegenen Hofstettengutes für seine Tochter Uranie (1800-1878) schuf er 1824 eine erste familiäre Verbindung zum Kanton Bern, die er bald darauf durch den Erwerb des bernischen Burgerrechts für sich und seine Söhne vertiefte. Während sein Erstgeborener Denis Marie (1791-1863) das Schloss Löwenberg erbte und in Paris die Banque Rougemont de Loewenberg weiterführte, blieben die Söhne Alfred (1802-1868) und Rodolphe Emile Adolphe (1805-1844) in Bern. Letzterer wurde 1831 Eigentümer des Bächigutes mit dem Landhaus Chartreuse am Thunersee, gegenüber der Schadau, die sein Bruder 1837 erwarb. Wiewohl auch am familieneigenen Bankinstitut in Paris beteiligt, interessierte sich Alfred vorab für eine eidgenössische Offizierslaufbahn. 1822 befehligte er als junger Leutnant das Neuenburger Detachement im Übungslager auf der Thuner Allmend, später erfolgten Beförderungen bis zum Oberstleutnant der Artillerie und die Berufung in den Generalstab. Mit seiner Gattin Sophie - Tochter des Neuenburger Tagsatzungsabgeordneten Graf Louis de Pourtalès (1773-1848) - hatte er vier Töchter und einen Sohn, die zwischen 1827 und 1837 geboren wurden.

Die Besitzer von Schloss Schadau Quelle: Jürg Hünerwadel Schloss Schadau, Thun, Der Schweizerische Kunstführer, 2019

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Der Tod des letzten de Rougemont - Interview mit dem

Lokalhistoriker Louis Hänni
Was genau stand vor 110 Jahren hinter dem Selbstmord des Barons de Rougemont, Besitzer von Schloss Schadau? Lokalhistoriker Louis Hänni (1927-2019) hatte in einem Interview, das er am 28.1.2009 dem Thuner Tagblatt gab, eine plausible Theorie, die mit seiner eigenen Geschichte verbunden ist. «Warum beging der Baron Suizid?». Erst 23-jährig, nahm sich Baron Alfred Denis Louis de Rougemont, bestens bekannt als Besitzer des Schlosses Schadau, am 3. November 1908 das Leben. Über Verfolgungswahn und Krankheit wurde zunächst spekuliert, aber das war es nicht. Auf der Suche nach den wahren Gründen stiess das TT auf den Thuner Lokalhistoriker Louis Hänni. Es brauchte einiges an Überzeugungsarbeit, bis er einer Veröffentlichung seiner persönlichen Informationen zustimmte. Er wolle sich nicht ins Rampenlicht drängen, und es gebe für seine Theorie keine Beweise, sondern diverse Indizien, betonte er stark. Ohne ihn als letzte lebende Quelle aber wäre die Geschichte, die wie ein Märchen anmutet, für immer verloren gegangen.

Louis Hänni, warum wissen Sie über den aufsehenerregenden Suizid vor 100 Jahren mehr, als damals in den Zeitungen stand?
Weil meine Mutter auf dem Schloss gearbeitet und gelebt hat. Sie hat alle Beteiligten sehr gut gekannt.

Wie kam es dazu?
Als meine Mutter dreizehn Jahre alt war, starb ihr Vater an einer Lungenentzündung. So musste meine Grossmutter alleine für sich und die acht Kinder schauen. Als meine Mutter aus der Schule kam, nahm Baron Johann Friedrich Albert de Rougemont sie aus Wohlwollen in seine Familie auf. Er war ein sehr gütiger Mensch und tat viel für die Bevölkerung Strättligens. Sein Sohn Alfred Denis Ludwig «Louis» war damals vierzehnjährig, meine Mutter ein Jahr älter.

Hatten die beiden Kontakt?
Ja, meine Mutter und Alfred de Rougemont verstanden sich sehr gut. Sein Vater Johann hat den Kontakt mit den einfachen Leuten sehr geschätzt, und Louis war genau gleich. Oben im Türmchen, das neben der Schadau-Schiffländte immer noch erhalten ist, war damals für die Kinder eine Spielstube eingerichtet. Meine Mutter und Alfred spielten oft dort zusammen. Sie hatten es sehr gut miteinander – ich kann das so sagen, weil mir meine Mutter das erzählt hat.

Und dies trotz des Standesunterschiedes?
Der Standesunterschied spielte natürlich trotzdem eine Rolle, das war um diese Zeit gar nicht anders möglich. Beim Thema Heirat wurde das sehr deutlich.

Wie zeigte sich das?
1899 starb Alfreds Vater. Als Alfred aus der Schule kam, war es deshalb die Mutter, eine adlige Genferin, die dafür sorgen musste, dass Alfred eine noble Frau bekommt. Etwas anderes als eine Adlige kam nicht in Frage. Schliesslich war er der einzige verbliebene männliche Stammhalter der de Rougemont.

Es kam aber nie zu einer Heirat …
Von meiner Mutter weiss ich, dass Louis die für ihn vorgesehene Frau überhaupt nicht wollte. Er hatte sich in eine Gewöhnliche verliebt und hätte lieber diese heiraten wollen – nur durfte er das nicht. Nun können Sie sich vorstellen: Da hat er doch keinen Ausweg mehr gesehen! Und so hat er sich das Leben genommen. Wie er es gemacht hat, weiss ich nicht mehr. Da möchte ich nichts Falsches erzählen.

Das klingt, als ob die Gewöhnliche Ihre Mutter gewesen sein könnte ...
Gesagt hat sie mir das nie, und ich habe sie auch nie danach gefragt. Aber es gibt schon einige Indizien. Meine Mutter heiratete einen Zimmermann. Als sie geheiratet hatte und damit vergeben war, dauerte es bis zum Selbstmord des Barons nicht einmal ein Jahr. Und meine Mutter hatte zeitlebens eine sehr enge Bindung zur Schadau. Als ich ein Kind war, gingen wir sehr oft in den Park und posierten für Fotos – als ob wir die Familie aus dem Schloss wären.

Falls Ihre Mutter die Liebe des Barons, die möglicherweise bestanden hat, erwiderte, ihn aber nicht heiraten konnte – war sie dann mit ihrem Mann überhaupt glücklich?
Ja, das muss ich sagen. Nach der Zeit im Schloss nahm sie eine Stelle in Sumiswald an – möglicherweise, um Abstand zu bekommen. Mein Vater ging sie dann dort jeweils besuchen – mit dem Velo! Sie zogen dann in Thun zusammen, im Neufeld. Dort wurde auch ich geboren.

… und auf den Vornamen «Louis» getauft.
Meine Mutter hat mir gesagt, dass sie mich tatsächlich in Erinnerung an den Baron so taufen liess, dessen Rufname «Louis» war. Die Verbundenheit muss also wirklich sehr stark gewesen sein. Sie setzte sich damit auch gegen meinen Vater durch, der mich, den ersten Sohn, lieber nach sich benannt hätte. Darum bekam ich nach meinem Vater noch einen zweiten Vornamen, der aber nie gebraucht wurde: Jakob. 

Quelle: Thuner Tagblatt, Interviewer Thomas Kobel, Erstellt: 28.01.2009

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Schloss Schadau mit der Familie de Rougemont 1887

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Am Sterbebett von Alfred Denis Ludwig de Rougemont


Schloss Schadau und seine Geschichte
Das alte Haus 

Das heutige Gebäude hatte Vorgänger. Erstmals wird «das hus genemt Schadowe» 1348 erwähnt, als Johann von Strättligen es «durch sunderlich liebi und fruntschaft» seinem Schwiegersohn Ulrich von Bubenberg, «miner lieben tochter mann», als Lehen übergab. In der ersten Hälfte des 15. Jhs. gelangte die Schadau als ein «fry manlehen vom hus Spiez» an die Familie von Erlach, und bereits 1443 überliess Anton von Erlach «min hus und hof zei Schadow» als Sicherheit für eine von ihm gestiftete Messe den «drey priestern zu Scherzligen» zur Nutzung. Auch später diente die Schadau den Geistlichen der benachbarten Kirche Scherzligen als Pfrundgut und blieb nach der Reformation bis ins 18. Jh. Familienbesitz der Erlach. Während des Dreissigjährigen Krieges, wahrscheinlich um 1638, wurde das alte «Haus» durch einen Neubau ersetzt, ein Landschlösschen, umgeben mit Mauern, von denen als Rest einzig der kleine Rundturm dicht am Aareufer, wenn auch in etwas veränderter Form, erhalten geblieben ist. Die Anlage ist auf verschiedenen Stichen und Veduten festgehalten. Sie erlitt 1714 nach dem Kanderdurchstich, der Ableitung der Kander in den Thunersee, durch vermehrte Wasserführung und erhöhten Wasserstand erheblichen Schaden. Der damalige Besitzer Sigmund von Erlach verlangte eine Entschädigung für 50 «Fischfache», die ihm von den 150, die zur Schadau gehörten, verloren gegangen seien. Vielleicht waren derartige Einbussen mit ein Grund dafür, dass die Besitzung 1760 durch Tausch dem Landvogt von Trachselwald, Bernhard May, überlassen wurde.  

Nicht ganz 80 Jahre später kam es zu einem neuen Besitzerwechsel: Staatsschreiber Friedrich von May verkaufte 1837 das Gut für 110 000 Franken an Abram Denis Alfred de Rougemont-de Pourtalès, Mitglied der Neuenburger Royalistenfamilie de Rougemont, von der sich ein Zweig 1825 in Bern eingebürgert hatte. Damit begann für die Schadau eine neue Epoche. Die Familie de Rougemont war sehr begütert. Einige ihrer Mitglieder waren in Paris als Bankiers und als Finanzagenten des Königs von Preussen tätig, der ihnen 1784 den Adelstitel verliehen hatte. Ihnen gehörten Besitzungen in Neuenburg und im neuenburgischen Saint-Aubin, ferner das Landgut Löwenberg bei Murten, jetzt auch die Schadau und einem Bruder des Schadaubesitzers bereits seit 1831 die Chartreuse gegenüber auf der rechten Seite der Aare. 

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Abram Denis Alfred de Rougemont-de Pourtalès, dessen Grabtafel an der Südseite der Thuner Stadtkirche angebracht ist, begann nach wenigen Jahren mit der Umgestaltung der ganzen Anlage. Aus «dem halb versumpften, mit hoher Mauer gegen den See umgebenen Garten», wie ihn der oben zitierte Kritiker des Schlosses noch gesehen hatte, wurde ein Park mit «fein bekiesten» Wegen, Ruhebänken am See und «grossartigen Glashäusern», die dem Besucher als «wahrer Tempel der Flora» erschienen. Auch die Schadauscheuer wurde neu erbaut und schliesslich von 1848 bis 1852 etwas weiter landeinwärts das neue Schloss errichtet, erbaut von Pierre-Charles Dusillon.

Interessanter Artikel zur Geschichte und Entwicklung der Schlossanlage Schadau
http://www.thun.ch/fileadmin/news/media/pdf/2013/2013_08_06_
Parkpflegewerk_Schadau_im_Wandel_der_Zeit.pdf

Das neue Schloss 

Wenn der Neubau der Schadau, «noch nicht einmal vollendet», schon auf Kritik und Ablehnung gestossen ist, so lag das sicher auch an dem offenbar im klassizistischen Sehen befangenen Kritiker, dem hier alles «bizarr durcheinander gewürfelt» erschien, der «nirgends eine Spur von Symmetrie» sah, sondern nur «ein Quodlibet, welches selbst den verrufenen Roccoco-Styl noch als annehmlich erscheinen liesse». Doch keine zwanzig Jahre später schon sah man den Bau mit andern Augen: In seinem «Führer durch Thun» lobt E. v. Muralt 1860 «das von allen Seiten sich malerisch darstellende Schlossgebäude», und Abraham Roth, der leitende Redaktor am Bund und Freund des Malers Frank Buchser, meinte 1873 in seinem Büchlein «Thun und seine Umgebungen», dass unter den Tausenden von Besuchern der Schweiz, die hier alljährlich vorbeipilgerten, «keiner ist, der nicht bewundernd seine Blicke auf dem reichen Bau» und dem Park weilen lasse. Zeit und Geschmack hatten sich geändert. Jetzt gefiel gerade das, was dem Kritiker missfallen hatte: die durch Trakte und Türme aufgelockerte asymmetrische Gliederung des Baukörpers, der «von allen Seiten sich malerisch» ausnahm. Es war die Zeit der mit Spitzen und Rüschen besetzten rauschenden Roben, der goldbetressten Uniformen und der Equipagen, eine Zeit, in der selbst der einfache Bürger nicht ohne Zylinder und daheim nicht ohne «Salon» glaubte auskommen zu können, und sie fand nun Gefallen an dem auf Formenreichtum und Repräsentation angelegten Gebäudekomplex. 


Innenausstattung 

Diesem äussern Reichtum entsprechend war und ist zum Teil heute noch auch die Innenausstattung, vor allem die der Repräsentations- und Gesellschaftsräume. Davon ist freilich vieles, gleich dem Mobiliar, das nach dem Ersten Weltkrieg unter den Hammer kam, verloren gegangen. Erhalten geblieben jedoch ist die kunstvolle sandsteinerne Wendeltreppe, die von der Eingangshalle in den ersten Stock zu den Wohn- und Schlafräumen führt. Sie ist ein Meisterwerk neugotischer Steinhauerkunst, eine Arbeit des in Frankreich ausgebildeten Holländers Josef Hubert Verbunt, der auch in Bern im Bundeshaus, in den Schlössern Oberhofen und Neuenburg sowie im neuen Schloss Buonas im Kanton Zug bildhauerisch tätig war. Wohl sein eindrücklichstes Werk ist jedoch die elegante Schadautreppe mit ihren Masswerkgeländern, den schlanken, mit Laubwerkkapitellchen bekrönten Säulen und mit den kleinen Fabelwesen, die die Pfosten und die acht Ecken des Schlusssteins im Gewölbe bevölkern und ihre gotischen Ahnen nicht verleugnen.

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Glanz und Niedergang 

Rund ein halbes Jahrhundert nur dauerte die Glanzzeit dieser hochherrschaftlichen Besitzung, deren Bewohner meist im Vierspänner über Land und in die nahe Stadt Thun fuhren. Später öffneten sie den Thunern wenigstens an Sonntagen den Park zum Nachmittagsspaziergang, während sie selber sich ins Schloss zurückzogen, das übrigens auch mancherlei Festlichkeiten erlebt hat. So wurde hier bereits 1855 die Hochzeit der damals 22-jährigen Denyse Louise Isabelle de Rougemont, der zweiten Tochter des Erbauers, mit dem deutschen Grafen Felix v. Bethmann Hollweg gefeiert, deren erster Sohn Theobald dann unter Kaiser Wilhelm II. Reichskanzler wurde, der deutsche Kriegskanzler des Ersten Weltkrieges. Doch noch vor Kriegsausbruch war die glanzvolle «Feudalzeit» der Schadau bereits verblasst. Der letzte Rougemont der Linie «von der Schadau», wie sie sich nannte, ein Enkel des Erbauers, war schon 1908 im Alter von 23 Jahren freiwillig aus dem Leben geschieden. Die Besitzung hatte er testamentarisch dem damals erst vierjährigen, später als Kunsttänzer bekannt gewordenen und in Mexiko lebenden Neffen Henri Alexander von Swaine vermacht, der jedoch mit seinen Eltern - die Mutter war Alice Laurence de Rougemont - in Australien und Deutschland lebte. Das Schloss stand nun längere Zeit leer, wurde zum Verkauf ausgeschrieben und schliesslich 1917 zum Preis von 1,115 Mio Franken von einem Konsortium erworben, das die westlichen Teile des Parks, der dem See entlang bis zur Schiffswerft im Dürrenast reichte, für die hier seither entstandenen Villenbauten parzellierte. Auch dem Schloss und seiner unmittelbaren Umgebung drohte dieses Schicksal. Da kam man in Thun mit seinen damals 17 000 Einwohnern auf den Gedanken, den restlichen Park der Öffentlichkeit zu erhalten. Der Kaufpreis betrug 380’000 Franken, und die jährlichen Unterhaltskosten wurden auf 30’000 Franken geschätzt. Behörden und Parteien empfahlen den Kauf, und dem Stimmbürger wurde vorgerechnet, dass allein schon für die 370 Aren Grund und Boden ein Quadratmeterpreis von 10,27 Franken durchaus angemessen sei, das Schloss also gleichsam gratis erworben werden könne. Am 27./28. Juni 1925 gaben dann auch die Stimmberechtigten mit 1366 Ja gegen 910 Nein ihre Zustimmung. 


Das zweite Thuner Schloss

Aber was sollten die Thuner mit ihrem «Gratisschloss», aus dem das Mobiliar bereits versteigert war, anfangen? Es blieb zunächst leer, bis die Kunstgesellschaft Thun in den oberen Räumen eine Kunstausstellung organisierte und die Parterreräume dem Gemeinnützigen Frauenverein zum Sommerbetrieb eines alkoholfreien Restaurants verpachtet wurden. Später war im ersten Stock vorübergehend auch das Armeemuseum untergebracht. Die neue Zweckbestimmung hatte einige bauliche Änderungen nötig gemacht. Es mussten Toiletten eingerichtet, die Küche umgestaltet und als sichtbarster Eingriff die in gotischen Formen gehaltene Veranda der Südfront, weil schadhaft, erneuert werden, wobei sie auch «modernisiert» wurde. Immerhin ist dadurch der Charakter des Bauwerks nur unwesentlich beeinträchtigt worden. Vor einigen Jahren schon hat man dann auch mit Restaurationsarbeiten begonnen, die schrittweise fortgesetzt werden. Damit ist die Erhaltung des Schlosses, ausser dem es in der weiteren Umgebung kein zweites zeitgenössisches Beispiel von gleicher Qualität und Aussagekraft gibt, nunmehr gesichert. Max Grütter  
Quelle: Autor Max Grütter. Artikel in der Zeitschrift: Unsere Kunstdenkmäler: Mitteilungsblatt für die Mitglieder der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Band 23, 1972

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Glättereibetrieb in Thun

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Bedienstete im Schloss Schadau 1885